Anlässlich eines Gerichtsauftrags wurde mir aufgetragen, Befund aufzunehmen und Gutachten zu erstatten, ob auf einem Grundstück durch nachbarliche Bäume das Sonnenlicht im gewöhnlichen Maß und überschreitenden Ausmaß entzogen wird. Dabei war zu berücksichtigen, dass die Dauer und die Intensität der Belichtung durch die Sonne von den Faktoren Jahreszeit (veränderliche Sonnenstände durch die – im Winkel veränderliche Erdachse auf der Laufbahn um die Sonne), Tageszeit, Grad der Bewölkung und örtliche Verschattung etc. abhängt.
Folglich ist die mögliche Sonneneinstrahlung keine Konstante, sondern eine orts- und witterungsabhängige Größe. Einfach dabei ist wiederum, dass die Himmelsmechanik eindeutig und präzise berechenbar und damit auch vorhersagbar ist. Und die Babylonier, Kelten, Ägypter, Maya etc. praktizierten das auch schon lange vor uns, wir bedienen uns lediglich anderer Werkzeuge.
So beginnt man in der Regel mit einer Sonnenstundenberechnung zu den – im aktuellen Kalenderjahr theoretisch möglichen Sonnenstunden (z.B. ohne Bewölkung, Nebel u.dgl.) am gewählten Ort und berücksichtigt in einem zweiten Schritt die Wirkungen der – aus einer Ist-Erhebung vor Ort festgestellten Abschattung durch z.B. Bebauungen, Bewuchs und Horizonte und zieht dann die Wirkungen der ortstypischen Bewölkungslage vom Zwischenergebnis ab.
Zur Erhebung der örtlichen Ist-Verhältnisse wurden (bei jahreszeitlich bedingter zum Teil lichter Vegetationslage) Panoramaaufnahmen mit niedriger Brennweite (mit einem sogenannten Fischaugenobjektiv) wie nachstehend als Beispiel abgebildet durchgeführt und später rechentechnisch die Sonnenlaufbahnen daraufgelegt, Beschattungsbereiche markiert und rechentechnisch ausgewertet.
Eine Reihe von rechtlichen Entscheidungen und Erkenntnissen legte bereits vor, dass negative Immissionen (wie auch der Schattenwurf) das – nach den örtlichen Verhältnissen gewöhnliche Maß überwiegend überschreiten und zudem die Benützung des Nachbargrundstücks (z.B. seiner Art, Lage und Größe nach) unzumutbar beeinträchtigen müssen – um relevant zu sein. Die von der Rechtsprechung vorgegebenen Grenzen wurden in insbesondere in den nachfolgenden Beispielen überschritten:
- Wenn fremde Gewächse die körperliche Sicherheit des Nachbarn beeinträchtigen (z.B. durch Depressionen auf Grund von Lichtentzug; Schimmelbildung; nicht aber durch wegbrechende Äste).
- Wenn nicht nur ein kleiner Grundstreifen, sondern größere Teile des Grundstückes versumpfen, vermoosen oder sonst unbrauchbar werden.
- Wenn fremde Bäume und Gewächse auch zu Mittag eines helllichten Sommertages eine künstliche Beleuchtung im angrenzenden Raum erfordern.
- Wenn der Schattenwurf der Bäume zu einer völligen Unbrauchbarkeit einer schon bestehenden Solaranlage führt.
Der Oberste Gerichtshof leitete aus dem § 364 Abs 3 ABGB zudem ab, die Unzumutbarkeit der Beschattung im Einzelfall umso eher verwirklicht sei, als zeitlich und räumlich überwiegend (d.h. mehr als 50 % im Jahresdurchschnitt) kein Sonnenlicht in Wohnräumen und/oder im Garten einfallen könne.
Im gegenständlichen Fall sind für das siedlungsnahe Umfeld durchschnittliche 1.699 Sonnenstunden im Jahr als ortsüblich anzugeben. Eine jedenfalls kritische Unterschreitung dieses Immissionsniveaus um mehr als 50% ist demnach bei weniger als 850 Sonnenstunden im Jahr zu finden. Da für die südliche Terrasse und den Garten Beschattungsgrade von 13 – 20% vorliegen und sich bis zu 1.168 Sonnenstunden ergeben, war von meiner Seite eine unterdurchschnittliche – jedoch noch unkritische Immissionslage abzuleiten.
Wie das Gericht in diesem Fall dann entschied ist mir aber nicht bekannt.
Andreas Doppler, 16.10.2019
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